Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) hält jedes Jahr einen Fachkongress ab, bei dem Forschungsergebnisse rund um die Krebsbehandlung veröffentlicht werden. Aufgrund der COVID-19-Pandemie fand das diesjährige Treffen vom 4. bis 8. Juni 2021 erneut virtuell statt. Unsere Partnerorganisation, die International Kidney Cancer Coalition (IKCC) nahm an dem virtuellen wissenschaftlichen Programm teil, um über die neuesten Fortschritte in der Versorgung und Behandlung von Menschen mit Nierenkrebs auf dem Laufenden zu bleiben. Gerne haben wir deren Zusammenfassung im Folgenden ins Deutsche übersetzt und die wichtigsten Informationen für Sie zusammengestellt.
Bitte beachten Sie: Die folgende Zusammenfassung wurde von Patientenvertretern für Patientenorganisationen erstellt. Obwohl diese Zusammenfassung medizinisch überprüft wurde, basieren die hierin enthaltenen Informationen auf öffentlichen Daten, die beim ASCO-Kongress geteilt wurden, und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ebenso ersetzen sie nicht die medizinische Beratung. Bitte sprechen Sie immer mit Ihrem behandelnden Arzt über mögliche Therapieoptionen.
Pembrolizumab als adjuvante Therapie
Die adjuvante Therapie ist eine medikamentöse Behandlung, die bei nicht-metastasierten Patienten direkt nach einer Operation verabreicht wird, um ein Wiederauftreten der Erkrankung zu verhindern. Eventuell noch im Körper vorhandene, mikroskopisch kleine Krebszellen sollen so abgetötet und ein erneutes Krebswachstum verhindert werden.
Heute ist die Nieren-(teil)-Entfernung (Nephrektomie) meist der erste Schritt in der Behandlung des Nierenzellkarzinoms. Bei 20-80% der Patienten tritt der Krebs jedoch nach einer Operation erneut auf. Genau hier setzt die adjuvante Therapie an. Bisher wurden in Studien sogenannte zielgerichtete Therapien in der adjuvanten Situation bei Nierentumoren untersucht. Leider nur mit mäßigem Erfolg. Lediglich für Sunitinib konnte eine geringe Verlängerung des erkrankungsfreien Überlebens gezeigt werden, dies jedoch verbunden mit relativ vielen Nebenwirkungen. In Europa erhielt Sunitinib daher keine Zulassung als adjuvante Therapie.
Beim ASCO-Kongress wurden nun Daten der Phase-3-Studie KEYNOTE-564 vorgestellt. Dabei wurde die Anwendung von Pembrolizumab als adjuvante Therapie bei Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom nach Nephrektomie untersucht. Die teilnehmenden Patienten zeigten einen guten Gesundheitszustand und hatte eine Erkrankung mit mittlerem oder hohem (Rückfall-)Risiko. Alle Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei separate Gruppen mit ähnlichen Merkmalen eingeteilt und erhielten etwa ein Jahr lang entweder Pembrolizumab oder Placebo (ein Scheinmedikament).
Pembrolizumab reduzierte das relative Risiko eines Wiederauftretens des Krebses um etwa ein Drittel (32%). Nach einjähriger Behandlung blieben 85,7% der Patienten unter Pembrolizumab krankheitsfrei und 76,2% unter Placebo. Dieser Unterschied von 10 % blieb auch nach 2 Jahren noch bestehen. Zu diesem Zeitpunkt waren 77,3 % der Pembrolizumab-Patienten krankheitsfrei im Vergleich zu 68,1 % unter Placebo. Die Studie läuft derzeit noch, um weitere Informationen über die Gesamtüberlebenszeit zu sammeln. Die Daten zeigen jedoch jetzt schon, dass Pembrolizumab das Sterberisiko senken kann. Weitere Nachuntersuchungen sind erforderlich, um endgültige Schlussfolgerungen über das Gesamtüberleben zu ziehen.
Nebenwirkungen wurden von den meisten Patienten in der Studie berichtet (96,3 % der Patienten unter Pembrolizumab und 91,1 % unter Placebo). Die häufigsten immunvermittelten Nebenwirkungen von Pembrolizumab betrafen die Schilddrüse (Über- oder Unterfunktion) und waren beherrschbar. Nur 7 % der Patienten mussten mit hochdosierten Kortikosteroiden behandelt werden, um immunvermittelte Nebenwirkungen zu lindern.
Pembrolizumab ist derzeit in Deutschland in Kombination mit Axitinib als Erstlinien-Therapie für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom zugelassen. Für das adjuvante Setting ist Pembrolizumab noch nicht zugelassen. Weitere Daten zum Gesamtüberleben werden gerade für eine mögliche Zulassung wichtig sein.
Kombinationstherapien dominieren weiterhin die Behandlungsschemata
Das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom wird heute meist mit einer Kombination von entweder zwei Immuntherapien (Immun-Checkpoint-Inhibitoren; Nivolumab und Ipilimumab) oder einem Immun-Checkpoint-Inhibitor (Pembrolizumab, Avelumab oder Nivolumab) plus einer Tablette (einem sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitor) behandelt, die die Blutversorgung der Krebszellen blockieren (Axitinib, Lenvatinib, Cabozantinib). Auch auf dem ASCO sind Kombinationstherapien weiterhin von großem Interesse, aktualisierte Ergebnisse aus einigen laufenden Studien und Ergebnissen einiger neuer Kombinationen wurden vorgestellt. Im Folgenden möchten wir auf die neuen Kombinationen zur Behandlung des nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinoms eingehen.
Ungedeckter Bedarf bei nicht-klarzelligem Nierenkrebs
Das klarzellige Nierenzellkarzinom zählt zu den häufigsten Formen von Nierenkrebs. Daher sind Studien oftmals auf diesen Typ ausgerichtet. Doch gerade im Bereich des nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinoms gibt es noch Bedarf an Therapieotionen. Beim ASCO-Kongress wurde dazu eine Studie vorgestellt: Unbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem nicht-klarzelligem Nierenzellkarzinom erhielten nach der Operation eine Immuntherapie mit Nivolumab, solange bis ihr Krebs wieder zu wachsen begann, die Nebenwirkungen zu stark wurden oder die Behandlung nach 96 Wochen abgeschlossen war. Patienten, deren Krebs bereits während der Behandlung wieder zu wachsen begann oder deren Erkrankung nach 48 Wochen stabil war, erhielten zusätzlich zur Nivolumab-Behandlung 4 Dosen Ipilimumab (dies wird als Salvage-Therapie bezeichnet).
35 Personen mit nicht-klarzelligem Nierenzellkarzinom nahmen an der Studie teil, von diesen hatten 54 % ein papilläres Nierenzellkarzinom, 17 % ein chromophobes Nierenzellkarzinom, bei 29 % der Personen war der Subtyp nicht klassifiziert und 26 % der Patienten zeigten sarkomatoide Merkmale.
Nivolumab als Einzeltherapie zeigte lediglich eine begrenzte Wirksamkeit bei den Studienteilnehmern, nur 14,3 % sprachen auf die Behandlung an. Die meisten Reaktionen (4 von 5) wurden bei Patienten mit sarkomatoiden und/oder nicht klassifizierten Tumoren beobachtet. Die Zeit, bis das Medikament aufhörte zu wirken und der Krebs wieder zu wachsen begann, betrug im Durchschnitt 4 Monate. Mehr als die Hälfte der Patienten (57 %) erhielt daher anschließend eine Behandlung mit Nivolumab plus Ipilimumab, jedoch sprach nur ein Patient auf die Behandlung an.
Schlussfolgerung aus der Studie: Nivolumab sollte in der Erstlinien-Behandlung bei metastasierten Patienten mit nicht-klarzelligem Nierenzellkarzinom nicht routinemäßig allein angewendet werden, sondern von Beginn an in Kombination mit Ipilimumab. Zusätzlich gilt es weiterhin nach besseren Behandlungsmethoden für diese Patientengruppe zu suchen.
Savolitinib plus Durvalumab als Kombinationstherapie
Ein Protein namens MET (auch Hepatozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptor genannt) kann das Wachstum und die Entwicklung von Tumoren, insbesondere bei papillärem Nierenzellkarzinomen, anregen. Savolitinib ist ein Medikament, das genau dieses MET-Protein hemmt. Durvalumab ist ein so genannter Immun-Checkpoint-Inhibitor, also eine Immuntherapie, der in Kombination mit Savolitinib bei metastasiertem papillären Nierenzellkarzinom Ansprechraten (Verkleinerung des Tumors) von 29 % zeigte. Die folgende Posterpräsentation berichtet über die Wirksamkeit von Savolitinib in Kombination mit Durvalumab bei Patienten mit MET-getriebenem metastasierten papillären Nierenzellkarzinom.
Insgesamt 41 Patienten mit papillärem Nierenzellkarzinom wurden nach der Operation mit einer Kombination aus Savolitinib plus Durvalumab behandelt und etwas mehr als 2 Jahre nachbeobachtet. Neunundzwanzig Prozent der Patienten sprachen auf die Behandlung an und die durchschnittliche Zeit, bis zum erneuten Wachstum des Tumors betrug 4,9 Monate. Von den 41 Patienten in der Studie hatten 34 % ein MET-induziertes papilläres Nierenzellkarzinom und 71 % waren zuvor unbehandelt. Die durchschnittliche Zeit bis zum Abbruch der Behandlung und die Gesamtüberlebenszeit bei diesen Patienten betrugen 10,5 Monate bzw. 27,4 Monate. 57 % der Patienten mit MET-getriebenem papillären Nierenzellkarzinom sprachen auf die Behandlung an.
Schlussfolgerung: Die Studie konnte zeigen, dass die Kombination von Savolitinib und Durvalumab bei Patienten mit MET-getriebenem papillären Nierenzellkarzinom wirksam ist. Eine randomisierte Phase-III-Studie zur Bestätigung dieser Ergebnisse ist geplant.
Darmmikrobiom steigert die Aktivität der Immuntherapie
Jüngste Hinweise deuten darauf hin, dass die Bakterien im Darm von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (das sogenannte Darmmikrobiom) mit der Immuntherapie (Immun-Checkpoint-Inhibitoren) interagieren. Sowohl spezifische Bakterienarten als auch die Vielfalt der Mikroorganismen im Darm treiben die Interaktion an. In der folgenden Posterpräsentation wurde das Bakterium Clostridium butyricum bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom unter Behandlung mit einer Nivolumab/Ipilimumab-Kombination genauer betrachtet. Untersucht werden sollte, ob das Bakterium in der Lage ist, das Darmmikrobiom zu verändern und die klinischen Ergebnisse der Therapie zu verbessern. Das Bakterium ist Hauptbestandteil des Medikaments CBM-588.
Dreißig Patienten mit metastasiertem klarzelligen und/oder sarkomatoiden Nierenzellkarzinom wurden im Verhältnis 2:1 in Gruppen aufgeteilt und mit Nivolumab/Ipilimumab plus CBM-588 oder nur Nivolumab/Ipilimumab behandelt. Stuhlproben der Studienteilnehmer wurden zu Studienbeginn und nach 12 Wochen gesammelt, um den Bakteriengehalt zu analysieren. Die Forscher betrachteten einerseits die Wirkung der CBM-588-Behandlung auf die Bakterienart Bifidobacterium im Darm, zusätzlich wurden Daten zum Überleben der Patienten und zum Ansprechen auf die Behandlung erhoben.
Bei den Patienten, die mit Nivolumab/Ipilimumab plus CBM-588 behandelt wurden, kam es von Studienbeginn bis Woche 12 zu einem 8-fachen Anstieg von Bifidobacterium bifidum und einem 6-fachen Anstieg von Bifidobacterium teenageris im Darm. Clostridium butyricum wurde nur bei Patienten nachgewiesen, die CBM-588 erhielten. Im Stuhl von Patienten, die kein CBM-588 bekamen, wurden außerdem vergleichsweise mehr krankheitserregende Mikroorganismen gefunden.
Das Ansprechen auf die Behandlung war bei den Patienten, die Nivolumab/Ipilimumab plus CBM-588 erhielten, höher als in der Kontrollgruppe (59 % gegenüber 11 %). Die Zeit, bis die Behandlung aufhörte zu wirken und der Krebs wieder zu wachsen begann, wurde durch die Zugabe von CBM-588 ebenfalls verlängert. In beiden Behandlungsgruppen traten keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Nebenwirkungen auf.
Zusammenfassung: Dies ist die erste randomisierte, prospektive Studie, die eine Verbesserung der Immunantwort auf Checkpoint-Inhibitoren durch Bakterienkulturen zeigt. Allerdings handelt es sich hier um eine kleine Studie, weitere Untersuchungen mit einem größeren Patientenkreis sind sicherlich notwendig.
Behandlung von Hirnmetastasen beim Nierenzellkarzinom
Hirnmetastasen des Nierenzellkarzinoms sind besonders schwer zu behandeln, da Medikamente durch eine Membran, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, daran gehindert werden, ins Gehirn zu gelangen. In der Phase 3/4-Studie CheckMate 920 wurde die Kombination von Nivolumab/Ipilimumab bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom zur Behandlung von Hirnmetastasen untersucht.
In der Studie wurden 28 zuvor unbehandelte Patienten mit Hirnmetastasen, die keine Symptome verursachten (asymptomatisch waren), untersucht. Diese Patienten hatten zuvor keine anderen Medikamente gegen ihren Krebs erhalten, lediglich eine vorherige lokale Behandlung (Bestrahlung oder Operation) war möglich. Die Studienteilnehmer wurden bis zu 2 Jahre lang mit einer Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab behandelt. Bei 31 % der Patienten verkleinerten sich die Hirnmetastasen und 10 Patienten zeigten eine stabile Erkrankung. Die durchschnittliche Zeit bis zum Auftreten einer Wirkung betrug 2,8 Monate und die durchschnittliche Wirkdauer zwei Jahre. Bei einem Viertel der Patienten zeigte sich ein erneutes Wachstum der Hirnmetastasen. Die durchschnittliche Zeit, bis die Behandlung aufhörte zu wirken und der Krebs wieder zu wachsen begann, betrug bei diesen Patienten 9 Monate. Derzeit läuft die Studie noch, um weitere Informationen über die Gesamtüberlebenszeit zu sammeln.
Leider kam es bei der Behandlung teilweise auch zu schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Nebenwirkungen wie Durchfall/Kolitis (7,1%), Entzündung der Hypophyse (3,6%), Hautausschlag (3,6%), Hepatitis (3,6%) und Diabetes (3,6 %).
Zusammenfassung: Die Studie konnte zeigen, dass Patienten mit zuvor unbehandeltem metastasierten Nierenzellkarzinom und Hirnmetastasen auf Nivolumab/Ipilimumab ansprechen könnten. In der Praxis scheint die Immuntherapie bei Hirnmetastasen also durchaus wirksam zu sein. Lokale Therapien, wie die stereotaktische Bestrahlung oder chirurgische Eingriffe bleiben aber auch weiterhin wichtige Behandlungsmöglichkeiten.
Danksagung:
Texter:
Dr Daniel Y C Heng (CA)
Dr Vishal Navani (UK)
Medizinische Gutachter:
Dr Rachel Giles (NL)
Dr Michael Jewett (CA)
Dr Eric Jonasch (USA)
Medizinische Texterin:
Dr Sharon Deveson Kell (UK)
Übersetzung:
Karin Kastrati (DE)