Bevor die behandelnden Ärzt:innen mit Ihnen über unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten sprechen können, müssen die Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen vorliegen – dies kann durchaus mehrere Tage dauern. In der Regel werden Ihnen - auf jeden Fall aber Ihrem/Ihrer behandelnden Arzt/Ärztin, alle Untersuchungsergebnisse zur Verfügung gestellt. Sammeln Sie von Beginn an alle Berichte, Befunde, Laborwerte, etc. Dabei hilft Ihnen das Ordner-Register, das Sie bei uns bestellen können. Die gesammelten Befunde sind wichtig für den Gesamtüberblick und auch für eine Zweitmeinung, sollte diese irgendwann nötig sein.
Hat Ihr/Ihre Arzt/Ärztin alle Untersuchungsergebnisse erhalten, weiß er/sie genau, welche Tumorart vorliegt und wie weit sich der Krebs bereits im Körper ausgebreitet hat beziehungsweise wie aggressiv er möglicherweise wächst. Für die verschiedenen Nierenkrebs-Arten stehen mittlerweile mehrere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Grundlage für die Wahl der medikamentösen Therapie liefert letztendlich auch die sogenannte Prognoseabschätzung. Sie gibt an, wie hoch das Risiko ist, dass die Erkrankung fortschreitet. Für Nierenkrebs gibt es hierbei verschiedene Modelle. Sie erfassen unterschiedliche Faktoren, die im Zusammenhang mit dem Fortschreiten einer Erkrankung stehen. Das bekannteste Modell für den Einsatz der medikamentösen Therapien ist der sogenannte Motzer-Score (auch MSKCC genannt). Hierbei verwendet der/die behandelnde Arzt/Ärztin einfach festzustellende Laborwerte. Zur Abschätzung der Prognose wird dabei für jeden Risikofaktor ein Punkt vergeben und anschließend werden die Punkte zusammengezählt.
Die folgenden Werte werden betrachtet:
Laktat-Dehydrogenase (LDH) über das 1,5fache des oberen Normwertes (1 Punkt)
- Hämoglobin (HB) unter dem unteren geschlechtsspezifischen Normwert (1 Punkt)
- Blut-Kalzium-Spiegel: Korrigierter Wert über 10mg/dl (1 Punkt)
- Karnofsky Index unter 80 Prozent (Beurteilung des Allgemeinzustandes des Patienten) (1 Punkt)
- Der Primärtumor wurde nicht entfernt (1 Punkt)
- Weniger als ein Jahr nach der Erstdiagnose sind Metastasen aufgetreten (1 Punkt)
Werden nun alle Punkte zusammengezählt lässt sich die Prognose abschätzen:
In den vergangenen Jahren wurde der Motzer-Score zunehmend von den IMDC-Kriterien nach Heng abgelöst. Hier wird das Risiko ähnlich berechnet wie bei Motzer. Je nachdem welcher Prognosegruppe Sie zugeordnet werden, stehen Ihnen unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
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Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung von Professor Dr. med. Viktor Grünwald, Onkologe am Westdeutschen Tumorzentrum Essen
Ist bei einem/einer Patient:in die Entfernung oder die lokale Behandlung der Metastasen nicht sinnvoll oder möglich, wird der/die Arzt/Ärztin eine Therapie mit Medikamenten einleiten. Für diese sogenannte systemische Therapie der Metastasen stehen heute verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. In den vergangenen Jahren hat sich in der Behandlung von Nierenkrebs einiges verändert. Mitte 2006 wurden die ersten Vertreter der sogenannten zielgerichteten Therapien (Target-Therapien oder targeted therapies) in Deutschland zugelassen. Dabei handelt es sich um Medikamente, die gezielt auf die Tumorzellen wirken und so das Wachstum und eine weitere Streuung des Krebses verhindern. Im Gegensatz zur klassischen Chemotherapie sind diese Medikamente weniger schädlich für die „normalen, gesunden“ Zellen.
Heute wissen wir, wie sich Krebszellen entwickeln und wie sie sich von gesunden Zellen unterscheiden. Dieses Wissen macht man sich bei den zielgerichteten Therapien zu nutze. Zum Beispiel benötigen Krebszellen Blutgefäße, um zu wachsen. Aus diesem Grund regen die Krebszellen das umliegende Gewebe dazu an, Blutgefäße zu bilden. Genau an dieser Stelle greifen einige der neuen Medikamente ein und verhindern gezielt die Neubildung der Blutgefäße. Der Tumor hungert quasi aus. Andere Wirkstoffe stören die Signalübermittlung von Zellen und unterbinden so die Weiterleitung von Wachstumsfaktoren. Das Tumorwachstum wird dadurch gehemmt.
Gute Ergebnisse in der Behandlung von Nierenkrebs zeigen auch die Immuntherapien. Dabei werden Medikamente eingesetzt, die unser körpereigenes Immunsystem unterstützen. Krebszellen können so von unserem Abwehrsystem erkannt und zerstört werden. Eingesetzt wird dabei sowohl die Kombination von zwei Immunwirkstoffen wie auch Kombinationstherapien mit einem Immunwirkstoff und einer Target-Therapie. Die Entscheidung darüber, welche Therapie zu welchem Zeitpunkt zum Einsatz kommt, ist ganz individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist dabei zum Beispiel der genaue Zelltyp des Tumors und die Abschätzung wie aggressiv sich der Tumor ausbreitet – die sogenannte Risiko-Prognose. Diese wird anhand verschiedener Werte von Ihrem/Ihrer Arzt/Ärztin ermittelt.
Heute sind wir glücklicherweise in der Lage, dass uns mehrere, verschiedene Therapien zur Verfügung stehen. Meist wird eine Behandlung so lange durchgeführt, wie sie wirkt. Kommt es zum Fortschreiten der Erkrankung, kann ein anderes Medikament eingesetzt werden. Unser Ziel ist es, das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern und Lebenszeit zu gewinnen – und das bei möglichst hoher Lebensqualität.
Wichtig zu wissen:Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie sollte Ihr/Ihre Arzt/Ärztin immer gemeinsam mit Ihnen treffen. |
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Bei etwa jedem/jeder zweiten Nierenkrebs-Patient:in sind bei der Diagnose der Erkrankung bereits Metastasen vorhanden. Die Zellen bösartiger Tumoren können sich von ihrem ursprünglichen Entstehungsort lösen und Absiedlungen (sogenannte Metastasen) in anderen Organen des Körpers bilden. Sind Metastasen vorhanden, spricht man von einer, den ganzen Körper betreffenden, systemischen Erkrankung. Andererseits können Fernabsiedlungen auch noch Jahre nach der Erstdiagnose auftreten.
Metastasen von Nierenkrebs finden sich am häufigsten in folgenden Organen:
- Lunge (73%)
- Knochen (32%)
- Lymphknoten (26%)
- Leber (21%)
- Andere Niere (11%)
- Gehirn (3%)
Grundsätzlich hat der Tumor jedoch die Fähigkeit, überall im Körper Metastasen zu bilden.
Wichtig:
Metastasen, die sich in Folge von Nierenkrebs, beispielsweise in der Lunge oder in der Leber gebildet haben, sind nicht gleichzusetzen mit Lungenbeziehungsweise Leberkrebs. Es handelt sich um Absiedlungen des Nierenkrebses, die entsprechend behandelt werden müssen.
Therapieansätze
Hat sich die Erkrankung bereits in andere Organe ausgebreitet, ist sie nach heutigem Stand nicht mehr heilbar. Ziel der Behandlung ist es daher, das Leben, unter Erhalt einer bestmöglichen Lebensqualität, zu verlängern und eventuelle Beschwerden zu lindern. Dazu gibt es zwei verschiedene Ansätze: die lokale Therapie (wie die operative Entfernung der Metastasen) oder eine medikamentöse Behandlung, die auf den gesamten Körper wirkt. Mit den heute verfügbaren Therapien kann die Erkrankung in den meisten Fällen viele Jahre zum Stillstand gebracht werden.
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