Eine wichtige Gruppe innerhalb der zielgerichteten Therapien bilden die sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitoren (kurz TKIs). Sie werden auch Tyrosinkinase-Hemmer genannt.
Krebszellen sind dafür bekannt, dass sie sich häufig teilen, schnell wachsen und sich schnell vermehren. Für dieses Wachstum sind sie auf Wachstumsfaktoren angewiesen. Bindet ein derartiger Wachstumsfaktor an den entsprechenden Rezeptor, also die passende „Andockstelle“ auf der Zelloberfläche, wird eine Signalkette im inneren der Zelle in Gang gesetzt. Das ursprüngliche Signal zum Zellwachstum wird über viele „Boten“, von der Zelloberfläche bis zum Zellkern, weitergegeben. Nur wenn das Wachstumssignal im Zellkern ankommt, erhält die Zelle den Befehl sich zu teilen und zu wachsen. Genau dort greifen die Tyrosinkinase-Inhibitoren an. Sie sind so klein, dass sie in die Zelle eindringen können und genau die Signalwege blockieren, die die Zelle für ihr Wachstum benötigt.
Die Tyrosinkinase-Hemmer, die für Nierenkrebs zugelassen sind, blockieren gleich mehrere Signalwege gleichzeitig. Aus diesem Grund werden sie oft auch Multi-Tyrosinkinase-Inhibitoren (mTKI) genannt. Zusätzlich zum Hemmen der Signalwege, können diese Wirkstoffe verhindern, dass Krebszellen neue Blutgefäße bilden, die der Tumor zur Versorgung braucht (Anti-Angiogenese). Auf diese Art und Weise kann das Wachstum der Krebszellen und damit das des Tumors für eine gewisse Zeit aufgehalten werden.
Zu den derzeit zur Behandlung des Nierenzellkarzinoms eingesetzten Wirkstoffen zählen, in alphabetischer Reihenfolge:
Axitinib (Inlyta®), Cabozantinib (Cabometyx®), Lenvatinib (Kisplyx®) in Kombination mit Everolimus (Afinitor®), Pazopanib (Votrient®), Sorafenib (Nexavar®), Sunitinib (Sutent®) und Tivozanib (Fotivda®).
Tyrosinkinase-Hemmer werden als Tabletten oder Kapseln eingenommen.
Nebenwirkungen
Wie alle anderen Medikamente können auch die Tyrosinkinase-Hemmer Nebenwirkungen auslösen.
Am häufigsten sind:
- Durchfall (Diarrhö)
- Erschöpfung (Fatigue)
- Hautschäden an Händen und Füßen (Hand-Fuß-Syndrom)
- Schäden an den Schleimhäuten, vor allem im Mund. Folge davon sind beispielsweise Bläschen und offene Stellen im Mundraum (Mukositis) oder Geschmacksstörungen
- Veränderungen des Blutbildes (zum Beispiel Blutarmut)
- Veränderungen der Leber- und Nieren-Werte im Blut
- Bluthochdruck
- Unterfunktion der Schilddrüse
Wichtig zu wissen:
Leider lässt sich nicht vorhersagen, welche Beschwerden bei wem auftreten und wie stark diese im Einzelfall ausgeprägt sind. Hier gilt es abzuwarten und zu beobachten, was kommt. Sollten Nebenwirkungen auftreten, ist es wichtig, diese mit Ihrem behandelnden Arzt zu besprechen. Gerne können auch wir Ihnen unterstützend zur Seite stehen: Das Lebenshaus hat viele Tipps und Anregungen rund um das Thema Nebenwirkungen von erfahrenen Patienten gesammelt. Diese stehen in unserer Nebenwirkungsdatenbank "Newipedia" aufgelistet. Zur Nebenwirkungsdatenbank
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In den vergangenen Jahren hat sich in der Behandlung von Nierenkrebs sehr viel verändert. Mitte 2006 wurden die ersten Vertreter der sogenannten zielgerichteten Therapien (Target-Therapien) in Deutschland zugelassen. Dabei handelt es sich um Medikamente, die gezielt auf Tumorzellen wirken und so das Wachstum und eine weitere Streuung des Krebses verhindern. Sie werden meist als Tabletten oder Kapseln verabreicht.
Im Gegensatz zur klassischen Chemotherapie sind diese Medikamente weniger schädlich für die „normalen, gesunden“ Zellen. Heute wissen wir, wie sich Krebszellen entwickeln und wie sie sich von gesunden Zellen unterscheiden. Dieses Wissen macht man sich bei den zielgerichteten Therapien zu nutze. Hat ein Tumor zum Beispiel eine bestimmte Größe erreicht, benötigt er Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut, um weiter zu wachsen. Aus diesem Grund regen die Krebszellen das umliegende Gewebe dazu an, Blutgefäße zu bilden. Genau an dieser Stelle greifen einige der neuen Medikamente ein und verhindern gezielt die Neubildung der Blutgefäße. Der Tumor hungert quasi aus.
Andere Wirkstoffe stören die Signalübermittlung von Zellen und unterbinden so die Weiterleitung von Wachstumsfaktoren. Die Zellen können sich nicht mehr teilen und sterben teilweise sogar ab. Das Tumorwachstum wird dadurch gehemmt. Auf den folgenden Seiten möchten wir kurz auf die Wirkmechanismen der unterschiedlichen zielgerichteten Therapien für Nierenkrebs eingehen.
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Die neuste Art der Immuntherapie, die auch in der Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms eigesetzt wird, ist die Therapie mit speziellen Antikörpern, den sogenannten Immuncheckpoint-Hemmern. Um sie von der ursprünglichen Immuntherapie abzugrenzen, wird sie als immunonkologische Behandlung bezeichnet.
Wirkweise der immunonkologischen Behandlung
Unser Immunsystem verfügt über verschiedene Signalwege, über die eine Immunreaktion ausgelöst werden kann. Beispielsweise wird bei einer Virusinfektion das Immunsystem aktiviert, damit die krankheitsverursachenden Viren abgetötet werden. Jedoch gibt es auch Signalwege, die das Immunsystem hemmen. So können Autoimmunreaktionen, also ein Angreifen der körpereigenen Zellen, vermieden werden. Bei einer Erkältung wird beispielsweise das Immunsystem aktiviert, um die krankmachenden Keime zu vernichten. Wenn die Erkrankung vorbei ist, wird das Immunsystem heruntergebremst. Das Bremsen des Immunsystems ist wichtig, da sich sonst die Immunzellen gegen gesunde, körpereigene Zellen richten können und sogenannte Autoimmunreaktionen auslösen.
Das „Bremsen“ des Immunsystems geschieht über die sogenannten Immuncheckpoints (Kontrollstellen, vom englischen Begriff Checkpoint). Krebszellen besitzen die Fähigkeit diese Immuncheckpoints für sich auszunutzen. Sie senden Signale und aktivieren die Immuncheckpoints, wodurch die Immunzellen, die den Tumor erkennen und bekämpfen sollen, stark geschwächt werden. Ergebnis: Der Tumor trickst das eigene Immunsystem aus, so dass er unerkannt wachsen kann. Die sogenannten Immuncheckpoint-Hemmer wirken dem entgegen: Sie verhindern die Unterdrückung der Immunantwort durch den Tumor, so dass dieser vom Immunsystem erkannt und angegriffen wird.
Die Forscher James Allison und Tasuku Honjo waren wesentlich an der Entwicklung von Checkpoint-Inhibitoren beteiligt. Für ihre Arbeit wurden sie im Jahr 2018 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Checkpoints, von denen man heute weiß, dass sie beim Nierenzellkarzinom eine Rolle spielen sind: PD-1, PDL-1 und CTLA-4. Seit April 2016 gibt es eine Zulassung für den Immuncheckpoint-Hemmer Nivolumab (Opdivo®) zur Behandlung des metastasierten (vorbehandelten) Nierenzellkarzinoms bei Erwachsenen in Zweitlinie. Das heißt, Patienten erhalten die Therapie mit Nivolumab, nachdem sie bereits eine Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor erhalten haben. Im Januar 2019 wurde die Kombinationstherapie von zwei Immun-Checkpoint-Hemmern, Nivolumab (Opdivo®) und Ipilimumab (Yervoy®) zur Erstlinientherapie für metastasierte Nierenkrebs-Patienten der mittleren und ungünstigen Risikogruppe zugelassen.
Nebenwirkungen
Im Vergleich zu den zielgerichteten Therapien zeigen die neuen Immuntherapeutika im Allgemeinen weniger Nebenwirkungen. Allerdings können sie zu Beschwerden führen die durch Entzündungsmechanismen im Körper hervorgerufen werden und eine medikamentöse Behandlung dringend nötig machen. Dabei ist es nicht selten, dass sich eigentlich nur leichte Nebenwirkungen relativ schnell verschlimmern. Bereits bei geringen Beschwerden sollte deshalb zeitnah ein/e Arzt/Ärztin aufgesucht werden.
Folgende Nebenwirkungen sollten Sie umgehend mit Ihrem/Ihrer Arzt/Ärztin besprechen:
Atmung: Kurzatmigkeit, erschwertes Ausatmen, Husten, rasselnde Atmung
- Haut: Juckreiz, Ausschlag, Abschälen der Haut, Hautabschürfungen
- Magen-Darm-Trakt: Veränderungen der normalen Darm-Tätigkeit (Verstopfung, Durchfall), Blut oder Schleim im Stuhl, Bauchschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Gewichtsverlust
- Augen: Entzündungserscheinungen im Augenbereich, Einschränkungen des Sehfeldes
- Neurologische Erscheinungen: sensorische Beschwerden (Kribbeln, Taubheitsgefühl in den Armen/Beinen), motorische Einschränkungen (Probleme beim Gehen, Gleichgewichtsstörungen)
- Allgemeinzustand: Fieber, Müdigkeit, starke Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Austrocknung (Dehydrierung), Schockzustand, Verhaltensveränderungen, niedriger Blutdruck, Herzrhythmusstörungen
- Abnorme Laborwerte (werden vom Arzt festgestellt):
o Niere: Veränderungen des Kreatinin-Wertes
o Leber: erhöhte Blutwerte (AST, ALT, Bilirubin)
o Bauchspeicheldrüse: erhöhte Lipase-Werte
o Schilddrüse: veränderte TSH-Werte
o Störungen im Elektrolythaushalt
Wichtig: Nebenwirkungen können teilweise auch noch Monate nach Beendigung der Therapie auftreten.
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Das Nierenzellkarzinom gilt als sogenannter immunabhängiger Tumor. Daher war die Standardbehandlung beim metastasierten Nierenzellkarzinom bis zum Jahr 2006, als es noch keine zielgerichteten Therapien gab, die Immun- beziehungsweise Immunchemotherapie. Diese kombinierte die Zytokine (Botenstoffe des Immunsystems) Interferon-alpha (Roferon A®) und Interleukin-2 (Proleukin®) mit oder ohne Zugabe eines Chemotherapeutikums (5-FU).
Die Therapie führt zu einer allgemeinen (unspezifischen) Stimulation des Immunsystems mit dem Ziel der Zerstörung der Metastasen. Beide Botenstoffe des Immunsystems aktivieren dabei die körpereigenen Abwehrzellen (T-Zellen). Interferon-alpha (Roferon A®) verhindert die Zellteilung und damit das Tumorwachstum, Interleukin-2 (Proleukin®) dagegen fördert das Zellwachstum und die Ausbildung von Zellen, die Krankheitserreger sofort angreifen (sogenannte immunologische Effektorzellen). Beide Wirkmechanismen scheinen sich zu ergänzen.
Nach Behandlung mit dieser Art der Immuntherapie waren Patient:innen in Einzelfällen über mehrere Jahre krankheitsfrei. Leider hatte diese Therapie jedoch auch viele Nachteile:
- nur klarzellige Nierenzellkarzinome waren für die Behandlung geeignet,
- nur 5 bis 20 Prozent der Patient:innen sprachen überhaupt auf die Therapie an,
- die Therapie war mit sehr starken Nebenwirkungen verbunden.
Da es heute vielfältige andere Therapien für das metastasierte Nierenzellkarzinom gibt, wird diese Methode nur noch in Ausnahmefällen, bei ausgewählten Patient:innen und unter strenger medizinischer Überwachung durchgeführt.
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