Generell kann die Ursache eines Nierentumors genetisch bedingt sein. Die häufigste Form des hereditären (erblichen) Nierenzellkarzinoms ist das von Hippel-Lindau (VHL)-Syndrom, hervorgerufen durch Mutationen im VHL-Gen. Das VHL-Syndrom gilt als seltene Erkrankung, von der statistisch gesehen jeder 36.000ste Mensch betroffen ist.
Hinweise auf das Vorliegen der VHL Erkrankung ist, dass neben dem Nierentumor in der Regel noch andere VHL-typische Tumore vorliegen, wie Angiome in den Augen oder Hämangioblastome im zentralen Nervensystem (ZNS, z.B. Spinalkanal oder Kleinhirn). Angiome und Hämangioblastome sind sogenannte gutartige (benigne) Tumore, die nicht metastasieren. Jedoch nehmen diese Tumore bei zu starkem Wachstum im zentralen Nervensystem Platz ein und können dadurch zu Komplikationen führen.
Bei VHL-Patient:innen sind zumeist beide Nieren betroffen: manchmal mit beidseitigen Tumorbefunden oder Zysten auf der anderen Niere. In der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) sind ebenso die Entstehungen von Zysten oder eines malignen Tumors möglich.
Gerade bei jüngeren Nierenkrebs-Patient:innen unter 46 Jahren bei zusätzlichen Befunden wie oben beschrieben oder erhöhtem Blutdruck, sollte daher zusätzlich zur Behandlung der Nierenkrebs-Erkrankung auch ein humangenetischer Test bei den Ärzt:innen angefragt werden. Die Kenntnis der VHL-Erkrankung ändert zumeist zwar nicht direkt die Behandlung des Nierentumors, jedoch sind die Kontrollen der anderen Tumorformen wichtig.
In der MRT-Bildgebung können zudem Hämangioblastome leicht mit Metastasen verwechselt werden. Nierenkrebs-Metastasen im zentralen Nervensystem werden häufig über eine Strahlentherapie oder das Cyberknife behandelt. Hämangioblastome reagieren nach derzeitiger Erkenntnis jedoch nicht auf Bestrahlung. Eine Bestrahlung bei Metastasen im ZNS kann daher ratsam sein, bei Hämangioblastomen wird diese Behandlung derzeit nicht empfohlen.
Ist in einer Familie die VHL Erkrankung bekannt, werden bei betroffenen Familienmitgliedern regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen empfohlen, so dass vorzeitig Ausprägungen der Erkrankung erkannt und behandelt werden können. Häufig zeigt sich die VHL-Erkrankung zuerst über Symptomatik in den Augen oder im Spinalkanal. Jedoch sind auch Fälle bekannt, wo der Nierentumor der erste Befund war. Die Vererbbarkeit ist autosomal-dominant, was heißt, dass beide Geschlechter betroffen sein können und die Wahrscheinlichkeit der Vererbung bei 50 % liegt. Man geht aber davon aus, dass ca. 20 % der Betroffenen durch eine Spontanmutation das VHL-Syndrom bekommen und demnach keine familiäre Vorgeschichte besteht. In dem Falle ist die Kenntnis über die VHL-Mutationen auch deshalb wichtig, um frühzeitig Vorsorge für die eigenen Nachkommen umsetzen zu können.
Für VHL-Patient:innen mit Nierentumoren wird in Europa derzeit eine neue Form der medikamentösen Behandlung in Studien angeboten, ein sogenannter HIF2-alpha Inhibitor. In den USA wurde in 2021 der Wirkstoff Belzutifan (Welireg®) oder auch bekannt als MK-6482 für die Behandlung VHL basierter Nierentumore zugelassen.
Das Nierenkrebs-Netzwerk Deutschland kooperiert mit dem Verein VHL (von Hippel-Lindau) betroffener Familien e.V. (www.hippel-lindau.de) um betroffene Patient:innen bestmöglich zu unterstützen. Gerne vermitteln wir Kontakt zu spezialisierten Versorgungszentren oder zu anderen Patient:innen zum Austausch.
Da gerade Knochenmetastasen oftmals nicht so gut auf eine medikamentöse Behandlung ansprechen wie Weichteilmetastasen, wollen wir im Folgenden etwas ausführlicher auf deren Therapie eingehen. Knochenmetastasen können zu erheblichen Beschwerden und Schmerzen führen. Durch die angegriffene Knochensubstanz kann es, auch bei geringer Krafteinwirkung, zu Brüchen kommen. Insbesondere bei Befall der Wirbelsäule besteht die Gefahr von Nervenquetschungen, die zu Empfindungsstörungen und im schlimmsten Fall zu Lähmungserscheinungen führen können.
Für die Behandlung von Knochenmetastasen gibt es derzeit verschiedene Möglichkeiten:
- Die Operation kommt insbesondere dann in Frage, wenn ein Knochen aufgrund einer Metastase zu brechen droht oder bereits gebrochen ist.
- Die Strahlentherapie wird bei Bruchgefahr eingesetzt. Meist können Schmerzen damit innerhalb weniger Tage gelindert werden. Nach der Bestrahlung bildet sich die Knochensubstanz neu, so dass die Bruchgefahr verringert wird.
- Die Radiochirurgie kann bei kleineren Metastasen angewandt werden.
- Die Behandlung mit Medikamenten. Durch die medikamentöse Behandlung können Schmerzen oftmals reduziert und eine Stabilisierung der Knochen erreicht werden. Für Knochenmetastasen, die nicht lokal durch eine Operation oder Radiochirurgie behandelt werden können, gibt es derzeit verschiedene medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Unter diesen Optionen kommt einer wirksamen systemischen Therapie gegen die Metastasen die wichtigste Rolle zu (siehe dazu Kapitel „Medikamentöse Therapie“). Die Behandlung kann durch weitere Substanzen unterstützt werden, die die Knochensubstanz stabilisieren können. Hierzu stehen zwei Wirkstoffe zur Verfügung:
- Die Bisphosphonate, welche die sogenannten Osteoklasten hemmen, also diejenigen Zellen, die für den Knochenabbau verantwortlich sind. Somit wird der Knochenabbau verringert. Für Knochenmetastasen des Nierenzellkarzinoms ist der Wirkstoff Zoledronat beziehungsweise Zoledronsäure (Zometa®) zugelassen. Dieses Medikament wird als Infusion über 15 bis 30 Minuten alle drei bis vier Wochen durch den Arzt verabreicht.
- Der monoklonale Antikörper Denosumab (Xgeva®). Dieser behindert die Bildung, die Funktion und das Überleben der Osteoklasten. So wird der Knochenabbau ebenfalls gebremst. Denosumab wird alle vier Wochen in das Fettgewebe unter die Haut gespritzt.
Besprechen Sie bitte mit Ihrem/Ihrer behandelnden Arzt/Ärztin ob diese Art der Behandlung für Sie in Frage kommt.
Nebenwirkungen
Die oben genannten zusätzlichen Medikamente zur Behandlung von Knochenmetastasen können Nebenwirkungen verursachen. Bei Einnahme von Zoledronsäure und Denosumab können einige Patient:innen Knochenschäden am Kiefer entwickeln, sogenannte Kieferosteonekrosen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine gute Mundhygiene. Bereits vor Beginn der Behandlung sollten sie daher einen Zahnarzt aufsuchen, um eventuell vorhandene Zahnschäden behandeln zu lassen. Während der Behandlung mit Zoledronsäure oder Denosumab könnten zusätzliche prophylaktische Zahnarztkontrollen sinnvoll sein. Bitte sprechen Sie mit Ihrem/Ihrer Zahnarzt/Zahnärztin, sollten Sie einen der zwei oben genannten Wirkstoffe bekommen.
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Liegen lediglich einzelne Metastasen vor, ist es oftmals möglich, diese im Rahmen einer Operation vollständig zu entfernen. Das hat den Vorteil, dass Erkrankte dadurch wieder tumorfrei sind. Die Einnahme von Medikamenten ist also (noch) nicht nötig. Auch können durch die Entfernung Beschwerden behoben werden, die von den Metastasen ausgelöst wurden (zum Beispiel Schmerzen oder Knochenbrüche bei Knochenmetastasen). In Einzelfällen ist es möglich, die Metastasen durch eine medikamentöse Behandlung zu verkleinern, damit sie später operativ entfernt werden können.
Metastasen-Radiochirurgie (Strahlentherapie)
Bei einzelnen (solitären) und kleinen Metastasen, zum Beispiel im Gehirn oder in den Knochen, kann eine spezielle Art der Strahlentherapie zum Einsatz kommen, die sogenannte Radiochirurgie, auch stereotaktische Bestrahlung genannt. Der Unterschied zwischen der Radiochirurgie und der gewöhnlichen Strahlentherapie liegt in der präziseren Art der Bestrahlung. Durch die Treffgenauigkeit kann eine sehr hohe Strahlendosis, in einer deutlich geringeren Anzahl von Behandlungen (meist 1 bis 5), zielgerichtet auf den Tumor/die Metastase gerichtet werden.
Die Entscheidung für eine radiochirurgische Behandlung sollte im Bestfall immer interdisziplinär, also vom gesamten Ärzteteam, getroffen werden. Wenn die Lage der zu behandelnden Metastasen eine solche Behandlung ermöglicht und es sich um eine kleine Anzahl von Metastasen handelt, eignet sich diese Methode gut bei kleineren Metastasen, die gut abgegrenzt sind.
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Wie entsteht Nierenkrebs und an welchen Frühsymptomen lässt sich die Krankheit erkennen? Muss immer gleich die gesamte betroffene Niere entfernt werden und was ist nach der Operation zu beachten?
Diese und andere Fragen beschäftigen Menschen, die die Diagnose Nierenkrebs erhalten. Professor Dr. med. Thomas Steiner, Chefarzt der Urologie am Helios Klinikum in Erfurt, hat sie uns in einem Interview beantwortet.
Nierenzellkarzinom oder Nierenkrebs – was ist das eigentlich?
Die meisten Menschen besitzen zwei Nieren. Diese sitzen rechts und links im Bauchraum und sind für die Reinigung des Körpers zuständig. Sie produzieren Urin (Harn), über den Giftstoffe und verschiedene Stoffwechselprodukte ausgeschieden werden. Zudem regulieren die Nieren den Blutdruck und den Flüssigkeitshaushalt des Körpers. Auch werden in den bohnenförmigen Organen Hormone zur Blutdruckregulation und Blutbildung produziert.
Wenn sich einzelne Zellen der Niere verändern und unkontrolliert zu wachsen beginnen, entsteht ein Tumor, der so genannte Nierenkrebs. Oftmals hören Patient:innen in einer ersten Ultraschall-Untersuchung von ihrem Arzt die Aussage: Da ist etwas an der Niere, das da nicht hingehört. Ob diese so genannte Raumforderung jedoch gutartig, also zum Beispiel eine Zyste ist, oder ob es sich um Krebs handelt, zeigt sich meist erst anhand weiterer Untersuchungen.
Gibt es unterschiedliche Arten von Nierenkrebs?
Unter dem Begriff „Nierenkrebs“ werden oftmals verschiedene Krebsarten zusammengefasst. Zwar entstehen sie alle in der Niere, treten jedoch an unterschiedlichen Stellen auf und müssen teilweise auch unterschiedlich behandelt werden. So zum Beispiel
- das Nierenzellkarzinom,
- das Nierenbecken-Karzinom,
- das Nierensarkom und
- der Wilms-Tumor.
Darüber hinaus gibt es noch andere, meist gutartige Tumoren der Niere. Sprechen Ärzt:innen von Nierenkrebs ist meist das, am häufigsten vorkommende, Nierenzellkarzinom gemeint. Dabei entstehen Tumore aus den Zellen der Harnkanälchen der Niere.
Nierenkrebs ist nicht gleich NierenkrebsDurch eine feingewebliche Untersuchung unter dem Mikroskop (histologischer Befund) kann auch das Nierenzellkarzinom in weitere Untergruppen eingeordnet werden. |
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